Antworten von Frau Dr. Sybille Bachmann

Oberbürgermeister-Wahl 2019

Fragen IKR e.V. (Initiative Kleingärtner Rostock)

1. Um in Rostock Bauland zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Nutzung von Brachflächen, Baulücken sowie die Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Welche Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, bevor Sie planen Kleingartenanlagen in potenzielles Bauland umzuwandeln?
Vor der Inanspruchnahme von Kleingärten sind alle Ihrerseits genannten Möglichkeiten auszuschöpfen.

2. Eine Ausweisung von Bauland führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Wie zahllose Beispielen gezeigt haben, führt dies zur Schaffung hochpreisiger Wohnungen, die von Kapitalanlegern gekauft werden, oder zur Baulandhortung mit dem Ziel, in einigen Jahren und ohne Investitionen das Bauland mit Gewinn wieder zu verkaufen. Mit welchen wohnungspolitischen Instrumenten wollen Sie in den nächsten fünf Jahren bezahlbaren Wohnraum für uns Rostocker schaffen? Wie viele Wohnungen jährlich zu welchem m²-Preis?
Der Bedarf an Wohnraum ist unstrittig, die Ausweisung von Bauland wiederum ist zwingend erforderlich um überhaupt bauen zu können, also den Bedarf zu decken. Strittig sind die Höhe des Bedarfes und damit die Größe der erforderlichen Flächen sowie, jedenfalls aus meiner Sicht, der Zeitpunkt der Ausweisung von Flächen. Dazu später.
Bauen ist heute teuer, ganz unabhängig vom Bodenpreis. Nach heutigen Baustandards wird wohl immer eine Kaltmiete von 8,50 – 9,50 EUR/m² herauskommen. Von daher gilt es, komplexe Maßnahmen gebündelt in Angriff zu nehmen:
– Grundstücksankäufe der Kommune zur Flächensicherung
– Nutzung von Vorkaufsrechten durch die Kommune
– Vergabe von Erbbaurechten
– Vergabe von Baugrundstücken nach Nutzungskriterien anstelle Höchstgebot (sog. Konzeptvergaben)
– Abschluss städtebaulicher Verträge zur Schaffung von sozialem Ausgleich bei der Grundstücksnutzung
– Erarbeitung einer wohnungspolitischen Gesamtstrategie
– Umstellung der Stadtentwicklung auf Quartiersentwicklung
– Wohnraumentwicklung für unterschiedliche Ziel- & Einkommensgruppen
– Absicherung sozial durchmischter Quartiere mit hoher Lebens- & Begegnungsqualität
– Umstellung der Förderung von Beton (Bauen) auf die Förderung von Personen (zielgruppenspezifische Mietzuschüsse)
– Stärkung kommunalen & genossenschaftlichen Eigentums sowie Eigentumsangebote für Familien und Mieter*innen zur langfristigen Absicherung der eigenen Miete
– Mehrfachnutzung von Gebäuden (z.B. Kita oder Kaufhalle mit Wohnen)
– Unterstützung alternativer Wohnformen, Baugruppen-, Co-Living & Tiny House-Projekte
– Errichtung kombinierter Wohnheime & Einrichtungen: Studierende & Senioren & Kitas
– Schulterschluss mit den Umlandgemeinden bei der Neuausweisung von Bauland
– Bildung einer gemeinsamen Verkehrsgesellschaft von Stadt & Landkreis Rostock

3. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 der Bundesrepublik Deutschland wird gefordert, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche. Grund und Boden sind kein vermehrbares, sondern ein knappes Gut. Wir lassen unseren nachfolgenden Generationen kaum Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir heute Rostocks Freiflächen in großen Teilen in Bauland umwandeln und an Investoren verkaufen. Wie werden Sie diesem Vorhaben entgegentreten?
Die wesentlichsten Maßnahmen wären:
– Nutzung von Brachflächen und Baulücken
– Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz
– Inanspruchnahme von Flächen nur nach tatsächlichem Bedarf
– Mehrfachnutzung von Flächen (siehe Frage 2)
– Architekturwettbewerbe, die am suffizienten Bauen ausgerichtet sind
– Umsetzung integrierter energetischer Quartierskonzepte in den Stadtteilen
– Co-Living-Konzepte
– gemeinwohlorientierte Bodenpolitik (siehe Frage 2) mit dem wichtigsten Aspekt: Erhalt und Zukauf kommunaler Flächen, Vergabe mittels Erbbaurecht (Der Antrag Grundstücksverwertung: Grundsatz Erbbaurecht vor Veräußerung wurde durch mich eingebracht und durch die Bürgerschaft im Oktober 2018 angenommen. Aufgrund eines Änderungsantrags von SPD, Linke und Grüne gilt das Prinzip aber erst ab 2020. Meine Antragsbegründung erfolgte auf Basis des Erhalts der Steuerungsmöglichkeiten für künftige Generationen. Es wird ein Kampf sein den Beschluss zu erhalten, da es zahlreiche Bestrebungen gibt, ihn noch vor 2020 wieder aufzuheben.)

4. Werden Grünflächen in potentielles Bauland umgewandelt, welches irgendwann vielleicht einmal bebaut wird, werden weder Privatpersonen noch die öffentliche Hand auf diesen Flächen investieren. Es widerspricht dem Grundsatz der kommunalrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzipien, wenn z.B. auf einer städtischen Grünfläche, die im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen ist, noch mit öffentlichen Geldern Spielplätze gebaut werden oder Wege aufwendig erneuert werden. … Kleingärtner, deren Kleingartenanlage als Bauland im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, werden keinen Nach-Pächter finden und nicht in ihren Verein bzw. ihre Parzelle investieren. Rostocker Vereine, die zum Teil über 100 Jahre alt sind, werden sich auflösen, als hätte es sie nie gegeben. Sind für Sie hier Alternativen vorstellbar, z.B. ein ständiges Monitoring des tatsächlichen Bedarfes an Bauland mit einer anschließenden Ausweisung von Bauland nur nach tatsächlichem Bedarf?
Umzuwandelnde Flächen sollten sich möglichst im Eigentum der Stadt befinden und auch in ihrem Eigentum verbleiben. Investieren sollten vor allem Genossenschaften sowie das kommunale Wohnungsunternehmen. Ein Teil der Flächen ist für Gewerbe erforderlich. Auf (zukünftigen) Bauflächen öffentliche Infrastruktur zu schaffen, wie Spielplätze und Wege, macht nur dann Sinn, wenn diese Flächen mit diesen Nutzungen dauerhaft bleiben. Ein künftiges Wohngebiet, selbst ein Gewerbegebiet, kann Spielplätze und Wege benötigen. Das Vorhandene ist in künftige Planungen einzubinden um Steuermittel nicht zu verschwenden. Zutreffend ist, dass eine Kleingartenfläche, die bereits jetzt als Bauland ausgewiesen ist, kaum Nachpächter finden wird und Investitionen nur dann erfolgen, wenn sie durch die Pächter noch als sinnvoll oder erforderlich angesehen werden. Persönlich ist es mir gelungen zwei KGA aus B-Plänen herauszunehmen, nachdem bekannt wurde, was eigentlich gebaut werden soll. Ein Bedarf an den Flächen gab es nicht wirklich bzw. es war Verhandlungsgegenstand, in den beiden Wohngebieten Kleingärten zu erhalten. Aus meiner Sicht ist Stadtentwicklung auf Quartiersgestaltung umzustellen und in jedes Quartier gehören auch Kleingärten.
Inzwischen stelle ich mir die Frage, wozu es eines Flächennutzungsplanes bedarf. Einsehbar sind langfristige Planungsprozesse für Infrastruktur (Erschließungen, ÖPNV etc.), unverständlich ist für mich, dass man nicht eine Baufläche auch als Mischfläche ausweisen kann. Es gibt bis dato nur Mischgebiete bei Wohnen und Gewerbe, nicht aber bei Wohnen/Gewerbe und Grünflächen. Das sollte sich ändern. Sofern dies rechtlich (noch) nicht möglich sein sollte, muss bei der Ausweisung von Wohn- & Gewerbeflächen ausdrücklich im Fließtext der Erhalt von Grünflächen/KGA mit benannt werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass ein Flächennutzungsplan noch kein B-Plan ist und im Detail stets Veränderungen möglich sind. Dies könnte auch ein Weg sein, unabhängig von den Festlegungen im F-Plan über den B-Plan für den Erhalt von Kleingärten zu sorgen. Ein laufendes Monitoring ist aus meiner Sicht zwingend erforderlich, denn:
Die Einwohnerprognose der Stadt ist zu ändern. Sie ging von utopischen Zahlen aus und sah einen Bedarf an jährlich 1.500 Wohnungen vor. Der reale Bevölkerungszuwachs beträgt aber nur 800 Menschen (2018). Nimmt man künftig 900 neue Einwohner*innen an bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,6 Personen, würde ein Wohnbedarf von 563 Wohnungen entstehen, d.h. maximal 600 Wohnungen pro Jahr. Das ist weniger als die Hälfte der jetzt für die Neuaufstellung des FNP genutzten Zahl.

5. Zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplanes gibt es ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs von uns Bürgern angenommen werden kann, ist ein offenes Ergebnis Voraussetzung. Wurden die Kleingartenanlagen Jägerbeck, Immendick,… bereits als Gewerbefläche an Interessenten angeboten und ist hier eine Dialog überhaupt möglich gewesen? Besteht nach Ihrer Meinung die Möglichkeit diese Flächen im zukünftigen Flächennutzungsplan weiterhin als Kleingartenfläche auszuweisen oder steht hier schon (lange) ein anderes Ergebnis fest?
Das Anbieten von Flächen der genannten KGA bei konkreten Interessenten/Investoren ist mir persönlich nicht bekannt. Ob die Stadtverwaltung bereits Gespräche geführt hat, kann nur sie beantworten. Die Stadt darf jederzeit Gespräche führen, entscheidend aber sind ausschließlich Beschlüsse der Bürgerschaft. Derzeit gültig ist der aktuelle Flächennutzungsplan, jede Änderung bedarf des Gangs durch alle Instanzen, d.h. die zuständigen Ortsbeiräte, Ausschüsse und die Bürgerschaft. Aufgrund der Betroffenheit von Kleingärten sind die KGA und der Kleingartenverband ebenfalls einzubinden. Leider wurde mein Antrag auf Einbindung im April 2019 durch Linke, CDU und UFR abgelehnt, so dass es zu keiner Mehrheit kam, da Rostocker Bund, Grüne und SPD nicht ausreichten.

6. Wir haben eine Petition zum Erhalt der Kleingartenanlagen in Reutershagen mit über 5.000 Unterschriften eingereicht. Was für ein Ergebnis werden Sie aus dieser Petition ableiten?
Dass es Wunsch der Betroffenen ist die KGA zu erhalten.
Meine Konzepte hierzu habe ich in den vorhergehenden Fragen dargelegt.

7. Ergänzung:
Kleingartenkonzept siehe auch: https://ob2019.files.wordpress.com/2019/02/19-02-03-schreiben-an-kleingartenverband-rostock.pdf
Wohnungskonzept siehe auch: https://ob2019.files.wordpress.com/2019/03/19-03-18-wohnungspolitische-gesamtstrategie-entwickeln.pdf

Vielen Dank Frau Dr. Bachmann für die Beantwortung unserer Fragen!