Antworten von Herrn Steffen Bockhahn
Oberbürgermeister-Wahl 2019
Fragen IKR e.V. (Initiative Kleingärtner Rostock)
1. Um in Rostock Bauland zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Nutzung von Brachflächen, Baulücken sowie die Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Welche Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, bevor Sie planen Kleingartenanlagen in potenzielles Bauland umzuwandeln?
Rostock wächst und das ist gut so. Aber natürlich sind mit diesem Wachstum neue Herausforderungen verbunden. Dabei geht es nicht nur um Wohnraum – aus meiner Sicht vor allem um bezahlbaren Wohnraum – sondern auch um steigende Bedarfe in Bezug auf Infrastrukturen. Einrichtungen mit sozialen Funktionen (Gesundheit, Kinder, Pflege, Betreuung, Gewerbe, Mobilität uvm.) werden eben auch benötigt. Keinesfalls zu vernachlässigen ist auch der Schutz und die Weiterentwicklung von Grünflächen. Das Kleingartenwesen gehört mit seiner Tradition zu unserer Kultur und ist aus vielen Gründen schützenswert: Kleingartenvereine erfüllen viele wichtige ökologische und soziale Funktionen. Dessen bin ich mir bewusst.
Konflikte entstehen, wenn neue Bedarfe berechtigten Bedürfnissen entgegenstehen. Größere Familien, Menschen mit geringen Einkommen, chronisch Kranke oder Einwohnerinnen, die auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen sind, finden kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Wir haben die Pflicht, Angebote für sie zu schaffen. Dabei entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft häufig Konflikte, weil (sehr verkürzt ausgedrückt) viele Menschen nach mehr Wohnraum rufen, aber in ihrer Nachbarschaft sollte er möglichst nicht entstehen. Mit diesem Widerspruch müssen wir umgehen und ihm durch eine frühzeitige und intensive Bürger*innenbeteiligung entgegenkommen.
Wenn nun eine Stadt wächst und wir möglichst schonend mit Flächen umgehen wollen, halte ich den Grundsatz „Innenverdichtung vor
Außenzersiedlung“ nach wie vor für richtig. Doch diese Grundausrichtung kann nicht dogmatisch verfolgt werden. Wie so oft in der Stadtentwicklung geht es um Augenmaß und um das Bewahren von Gleichgewichten. Selbstverständlich müssen alle Möglichkeiten genau geprüft werden, wenn die Stadt auf der Suche nach Bauland ist. Klar ist aber auch, dass die Flächen knapper werden, die noch bebaut werden sollten. Bevor Kleingartenanlagen für Bauland weichen, muss immer nach Alternativen geschaut werden. Ehrlich aber ist, ganz klar zu sagen, dass nicht jeder einzelne Kleingarten bestehen bleiben kann, wenn wir den Bedarfen an neuem Wohnraum und neuen städtischen Einrichtungen gerecht werden wollen.
2. Eine Ausweisung von Bauland führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Wie zahllose Beispielen gezeigt haben, führt dies zur Schaffung hochpreisiger Wohnungen, die von Kapitalanlegern gekauft werden, oder zur Baulandhortung mit dem Ziel, in einigen Jahren und ohne Investitionen das Bauland mit Gewinn wieder zu verkaufen. Mit welchen wohnungspolitischen Instrumenten wollen Sie in den nächsten fünf Jahren bezahlbaren Wohnraum für uns Rostocker schaffen? Wie viele Wohnungen jährlich zu welchem m²-Preis?
Nein, das Ausweisen von Bauland führt keineswegs automatisch zu bezahlbarem Wohnraum. Der enorme Anstieg der Baukosten, auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben und gestiegener Löhne, hat unter anderem dazu geführt, dass am Ende überwiegend hohe Mieten in Neubauten verlangt werden. Selbst wenn das Grundstück günstig erworben wurde, führen nicht vermeidbare Rahmenbedingungen auch beim kommunalen Wohnungsunternehmen WIRO oder bei den Genossenschaften dazu, dass hohe Baukosten zu bewältigen sind. Als LINKE haben wir dieses Problem schon vor Jahren erkannt und uns bemüht, auch die Bürgerschaft für dieses Thema zu sensibilisieren. Lange mussten wir Überzeugungsarbeit leisten, doch inzwischen wurden wichtige Beschlüsse gefällt. Die Bildung des Wohnungsbaubündnisses in Rostock war eine solche Entscheidung. Ziel dieses Bündnisses ist eben auch die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, der sowohl soziale Miethöhen bis maximal 6 Euro pro Quadratmeter beinhaltet als auch das so genannte Mittelpreissegment bis maximal 7,50 € pro Quadratmeter. Zudem hat die Stadt ihre Stellplatzsatzung angepasst, denn die Pflicht zur Schaffung vieler Stellplätze bei Neubau von Wohnungen verteuert ebenso die Miete und stellt einen zusätzlichen Flächenverbrauch da. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den Genossenschaften in der Stadt, die in ihrem Wohnungsbestand einen großen Anteil bezahlbarer Wohnungen halten. Die Wiro hat den so genannten Mietanker eingeführt, der bei bestehenden Wohnungen die soziale Miete einfriert, damit die Mieten nicht weiter steigen. Aufgrund der strengen Bedingungen dieses Ankers wird das Instrument noch nicht in großem Maße angenommen. Wir wollen deshalb die Möglichkeiten erweitern, damit mehr Menschen dauerhaft von einer sozialen Miethöhe profitieren. Zudem befindet sich Rostock jetzt in der Situation, eigene Flächen nicht mehr zu einem Höchstpreisgebot verkaufen zu müssen. Wichtig ist natürlich auch die soziale Wohnraumförderung des Landes. Bedauerlicherweise hat die Landesregierung lange gebraucht, um die entsprechende Förderrichtlinie einzuführen. Bis heute sind erst wenige geförderte Sozialwohnungen neu entstanden, weil die Wohnungswirtschaft die Förderbedingungen nicht attraktiv genug fand. Das Land hat nun endlich reagiert und die Bedingungen für eine Förderung (Neubau) verändert. Ich bin optimistisch, dass die Wohnungswirtschaft nun mehr Wohnungen bauen wird, die gefördert und damit bezahlbar sind.
3. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 der Bundesrepublik Deutschland wird gefordert, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche. Grund und Boden sind kein vermehrbares, sondern ein knappes Gut. Wir lassen unseren nachfolgenden Generationen kaum Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir heute Rostocks Freiflächen in großen Teilen in Bauland umwandeln und an Investoren verkaufen. Wie werden Sie diesem Vorhaben entgegentreten?
Die Nachhaltigkeitsstrategie führt uns vor Augen, dass wir mit städtischen Flächen sensibel umgehen müssen. Der Aspekt, dass man auch kommenden Generationen Räume lassen muss, ist nachvollziehbar und gerecht. Auch deshalb ist die Aufstellung des Flächennutzungsplanes so wichtig, damit wir auf Grundlage dieses Planes auch solche Diskussionen führen können. Im Zweifel muss man zu bestimmten Entwicklungen auch einfach mal Nein sagen.
4. Werden Grünflächen in potentielles Bauland umgewandelt, welches irgendwann vielleicht einmal bebaut wird, werden weder Privatpersonen noch die öffentliche Hand auf diesen Flächen investieren. Es widerspricht dem Grundsatz der kommunalrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzipien, wenn z.B. auf einer städtischen Grünfläche, die im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen ist, noch mit öffentlichen Geldern Spielplätze gebaut werden oder Wege aufwendig erneuert werden. … Kleingärtner, deren Kleingartenanlage als Bauland im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, werden keinen Nach-Pächter finden und nicht in ihren Verein bzw. ihre Parzelle investieren. Rostocker Vereine, die zum Teil über 100 Jahre alt sind, werden sich auflösen, als hätte es sie nie gegeben. Sind für Sie hier Alternativen vorstellbar, z.B. ein ständiges Monitoring des tatsächlichen Bedarfes an Bauland mit einer anschließenden Ausweisung von Bauland nur nach tatsächlichem Bedarf?
Ein ständiges Monitorring ist richtig, um die Bedarfe immer wieder den Realitäten anpassen zu können. Diese Prozesse sind aus Sicht der Verwaltung sehr arbeitsintensiv und umständlich. Deshalb lassen sich einmal kalkulierte Bedarfe nicht alle paar Monate neu untersuchen und berechnen. Allerdings denke ich auch, dass Klarheit über die Frage, wo sich potentielles Bauland befindet und wo nicht, ebenso wichtig ist. Dabei geht es um Planungssicherheit, denn auch eine Kleingartenanlage oder ein Verein möchten wissen, ob es sich lohnt zu investieren oder nicht. Verlässlichkeit spielt dabei auch eine Rolle, denn niemand möchte, dass alle paar Monate ein Statuswechsel erfolgt. Ich finde, dass ein Flächennutzungsplan fortlaufend geprüft und im Fall der Fälle auch wieder angepasst werden muss.
5. Zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplanes gibt es ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs von uns Bürgern angenommen werden kann, ist ein offenes Ergebnis Voraussetzung. Wurden die Kleingartenanlagen Jägerbeck, Immendick,… bereits als Gewerbefläche an Interessenten angeboten und ist hier eine Dialog überhaupt möglich gewesen? Besteht nach Ihrer Meinung die Möglichkeit diese Flächen im zukünftigen Flächennutzungsplan weiterhin als Kleingartenfläche auszuweisen oder steht hier schon (lange) ein anderes Ergebnis fest?
Uns ist nicht bekannt, dass beide Gartenanlagen bereits Interessenten angeboten wurden. Dies wäre auch nicht möglich, da es keinen Aufstellungsbeschluss zu einem Bebauungsplan gegeben hat. Erst mit den Diskussionen zum neuen Flächennutzungsplan und zum Kleingartenkonzept werden Flächen festgeschrieben. Der aktuelle Bearbeitungsstand des neuen Flächennutzungsplanes sieht Teilflächen beider Anlagen als Gewerbeflächen vor. Wir möchten dafür sorgen, dass beide Anlagen erhalten bleiben wenn der neue Plan beschlossen wird.
6. Wir haben eine Petition zum Erhalt der Kleingartenanlagen in Reutershagen mit über 5.000 Unterschriften eingereicht. Was für ein Ergebnis werden Sie aus dieser Petition ableiten?
Wir immer berücksichtigen wir gesammelte Unterschriften als Meinungen der Einwohner*innen. Das ist für uns selbstverständlich. Nur wenn wir als LINKE in einem erheblichen Maße anderer Meinung sein sollten, stimmen wir Eingaben nicht zu. Die neue Fraktion wird sich mit den neuen Mitgliedern mit Ihrer Eingabe beschäftigen.