Antworten von Herrn Dr. Chris Müller-von Wrycz Rekowski

Oberbürgermeister-Wahl 2019

Fragen IKR e.V. (Initiative Kleingärtner Rostock)

1 Um in Rostock Bauland zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Nutzung von Brachflächen, Baulücken sowie die Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Welche Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, bevor Sie planen Kleingartenanlagen in potenzielles Bauland umzuwandeln?

Alle diese Möglichkeiten sind auszuschöpfen, bevor Kleingartenanlagen oder offene Landschaftsflächen für Bebauung in Anspruch genommen werden. Absolut prioritär sollten wir dabei die Umnutzung brachgefallener Flächen betreiben, weil sie i.d.R. schon erschlossen sind und mit einer Umnutzung meist auch Ruinen, Altlasten und andere Schandflecken aus dem Stadtbild beseitigt werden.

 

2 Eine Ausweisung von Bauland führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Wie zahllose Beispielen gezeigt haben, führt dies zur Schaffung hochpreisiger Wohnungen, die von Kapitalanlegern gekauft werden, oder zur Baulandhortung mit dem Ziel, in einigen Jahren und ohne Investitionen das Bauland mit Gewinn wieder zu verkaufen. Mit welchen wohnungspolitischen Instrumenten wollen Sie in den nächsten fünf Jahren bezahlbaren Wohnraum für uns Rostocker schaffen? Wie viele Wohnungen jährlich zu welchem m²-Preis?

Rostocks Bevölkerung wächst, die Wohnfläche pro Kopf wächst. Deshalb braucht Rostock zusätzliche Wohnungen, übrigens in allen Preissegmenten, für alle Wohnformen und für alle Zielgruppen. Die Stadtplanung arbeitet bereits seit Jahren daran, Brachflächen im Rahmen von Innenentwicklung einer Bebauung zuzuführen (z.B. Thierfelder Straße, Klinikruine Lütten Klein, Werftdreieck). Aber selbst wenn man die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung Rostocks deutlich zurücknimmt, werden diese Flächen nicht ausreichen, den künftigen Wohnraumbedarf zu decken. Deshalb wird es ohne die Ausweisung von neuem Bauland nicht gehen. Wichtig wird sein, dass wir besser als in der Vergangenheit dafür Sorge tragen, dass dieses Bauland dann auch für Mietwohnungen im normalen Preissegment verwendet wird. Und natürlich gilt es, Baulandhortung zu verhindern. Allerdings sind mir in Rostock keine Beispiele bekannt, in denen neu ausgewiesenes Bauland dann nicht zügig bebaut worden wäre. In diesem Zusammenhang unterstütze ich ausdrücklich die Bemühungen der SPD auf Bundesebene, eine neue „Grundsteuer C“ für unbebaute, aber planungsrechtlich bebaubare Grundstücke einzuführen, um Bodenspekulation unattraktiv zu machen.

Um auf dem Wohnungsmarkt voranzukommen, bedarf es eines ganzen Bündels von Instrumenten und Maßnahmen. Hier kann ich mich weitgehend den Ausführungen von Frau Dr. Bachmann anschließen, möchte allerdings die Bedeutung der WIRO und der Genossenschaften noch deutlicher hervorheben. Mit der WIRO haben wir als Kommune einen großen Anbieter von Mietwohnungen in der eigenen Hand, und mit den Genossenschaften zuverlässige und starke Partner, die in erster Linie das Wohl Ihrer Mitglieder und nicht die maximale Rendite im Auge haben. Beide, WIRO und WGen, sollten unsere primären Ansprechpartner sein, wenn es darum geht, den Wohnbedarf der breiten Bevölkerung zu sichern. Wenn alle an einem Strang ziehen und das Land seine neuen Förderprogramme beibehält, halte ich es für möglich, binnen fünf Jahren in Rostock 1.000 echte Sozialwohnungen zu bauen, mit Kaltmieten um die 6 EUR/m².

 

3 In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 der Bundesrepublik Deutschland wird gefordert, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche. Grund und Boden sind kein vermehrbares, sondern ein knappes Gut. Wir lassen unseren nachfolgenden Generationen kaum Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir heute Rostocks Freiflächen in großen Teilen in Bauland umwandeln und an Investoren verkaufen. Wie werden Sie diesem Vorhaben entgegentreten?

Diese Frage hat zwei Dimensionen: das eine ist die ökologische Nachhaltigkeit. Hier müssen wir uns natürlich bemühen, möglichst wenig Grund und Boden für Bebauung in Anspruch zu nehmen. Deshalb müssen wir Innenentwicklung betreiben, brachgefallene Grundstücke nach- und umnutzen, Dachgeschosse ausbauen, Gebäude aufstocken, höhere Bebauungsdichten in Kauf nehmen. Auch wird es Zeit, unsere stetig wachsenden Wohnflächenansprüche endlich kritisch vor dem Hintergrund von Klima- und Umweltschutz zu diskutieren. Hier braucht es Überzeugungsarbeit und auch gute architektonisch-städtebauliche Lösungen, denn man wird die Menschen nicht zwingen können, gegen ihren Willen in bestimmten, ökologisch verträglichen Wohnformen zu leben, wenn diese nicht attraktiv genug sind.

Die zweite Dimension ist die der städtischen Handlungsfähigkeit. Als Oberbürgermeister wird es mein Ziel sein, die Kraft unserer Kommune weiter zu stärken. Deshalb habe ich mitgeholfen, die Wasserversorgung zurück in kommunale Hände zu holen, den städtischen Haushalt schuldenfrei zu machen und unsere städtischen Unternehmen gut aufzustellen. Diese Prämisse möchte ich künftig auch auf den Bodenmarkt anwenden und die Rolle der Stadt dort stärken – durch vorausschauende Ankäufe von Grund und Boden, durch kluge Stadtplanung und gute Verträge. Die Bürgerschaft hat hierzu ja bereits den Beschluss gefasst, Flächen grundsätzlich nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch in Erbbaupacht zu vergeben. Ich unterstütze diesen Beschluss ausdrücklich.

 

4 Werden Grünflächen in potentielles Bauland umgewandelt, welches irgendwann vielleicht einmal bebaut wird, werden weder Privatpersonen noch die öffentliche Hand auf diesen Flächen investieren. Es widerspricht dem Grundsatz der kommunalrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzipien, wenn z.B. auf einer städtischen Grünfläche, die im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen ist, noch mit öffentlichen Geldern Spielplätze gebaut werden oder Wege aufwendig erneuert werden. … Kleingärtner, deren Kleingartenanlage als Bauland im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, werden keinen Nach-Pächter finden und nicht in ihren Verein bzw. ihre Parzelle investieren. Rostocker Vereine, die zum Teil über 100 Jahre alt sind, werden sich auflösen, als hätte es sie nie gegeben. Sind für Sie hier Alternativen vorstellbar, z.B. ein ständiges Monitoring des tatsächlichen Bedarfes an Bauland mit einer anschließenden Ausweisung von Bauland nur nach tatsächlichem Bedarf?

So gern ich es auch zusichern würde: es wird nicht möglich sein, alle Kleingartenanlage in der HRO für alle Zeiten als solche zu erhalten – jedenfalls nicht, wenn wir gleichzeitig mit neuen Jobs die Arbeitslosigkeit senken und mit neuen Wohnungen den Mietwucher bremsen wollen. Und es ist in jedem Einzelfall zu diskutieren, ob es sinnvoll ist, eine KGA mitten in der Stadt zu erhalten, wenn dafür im Gegenzug ein Stück freie Landschaft für Wohnen oder Gewerbe geopfert werden muss. Deshalb lautet meine Zusage erstens: als OB werde ich keine Kleingartenanlage leichtfertig überplanen. Zweitens: Wenn Kleingärten wegfallen müssen, werde ich dafür sorgen, dass jede alte Parzelle 1:1 durch eine neue Parzelle, möglichst in der Nähe, ersetzt wird. Dabei sollen ganze Gemeinschaften von Kleingärtnern – soweit gewollt – gemeinsam ihren Standort wechseln können. Und meine dritte Zusage: Als OB werde ich für Planungssicherheit in den Kleingärten sorgen. Auch wenn die Menschen „nur“ Pächter der Flächen sind, haben sie einen Anspruch darauf, ehrlich und transparent informiert zu sein, damit sie langfristig planen können. Eine verbindliche Zusage, die Parzelle erst in fünf oder zehn Jahren räumen zu müssen, ist sicher nicht schön – aber immer noch besser, als fünf oder zehn Jahre lang täglich mit einer kurzfristigen Kündigung des Pachtvertrags rechnen zu müssen.

Eine weitere Anmerkung: der Flächennutzungsplan ist die vorbereitende, der Bebauungsplan die verbindliche Bauleitplanung. Der FNP ermöglicht eine Bebauung, aber erst die B-Pläne schaffen konkretes Baurecht. Deshalb haben wir als Stadt jederzeit die Möglichkeit, über die Aufstellung von B-Plänen flexibel auf den tatsächlichen Bedarf zu reagieren. Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem die HRO Bauland ausgewiesen hätte, das dann mangels Bedarf nicht bebaut wurde. Und beim derzeit eklatanten Mangel an Bauland innerhalb der HRO sind wir von einer solchen Situation meilenweit entfernt.

 

5 Zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplanes gibt es ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs von uns Bürgern angenommen werden kann, ist ein offenes Ergebnis Voraussetzung. Wurden die Kleingartenanlagen Jägerbeck, Immendick,… bereits als Gewerbefläche an Interessenten angeboten und ist hier eine Dialog überhaupt möglich gewesen? Besteht nach Ihrer Meinung die Möglichkeit diese Flächen im zukünftigen Flächennutzungsplan weiterhin als Kleingartenfläche auszuweisen oder steht hier schon (lange) ein anderes Ergebnis fest?

Die Vorstellung, die HRO könne im Hintergrund bereits die Vermarktung der genannten Flächen betreiben, ist – mit Verlaub – absurd. Noch gilt der aktuelle Flächennutzungsplan, und die künftige Nutzung ist offen. Bis die Bürgerschaft den neuen FNP beschließt, werden noch zahlreiche Diskussion in Bürgerforen und -versammlungen, in den zuständigen Ortsbeiräten und Ausschüssen, in den Fraktionen und der Bürgerschaft zu führen sein – mit ebenso zahlreichen Möglichkeiten für Interessenvertreter aller Art, auf verschiedensten Wegen und mit verschiedensten Mitteln in ihrem Sinne auf diesen politischen Prozess einzuwirken. Ein solches Einwirken bietet sich für Sie übrigens schon bei der Kommunalwahl an – denn es gibt durchaus erkennbare Unterschiede, wie stark sich die verschiedenen Fraktionen in der Vergangenheit für die Belange der Kleingärtner/innen unserer Stadt eingesetzt haben.

6 Wir haben eine Petition zum Erhalt der Kleingartenanlagen in Reutershagen mit über 5.000 Unterschriften eingereicht. Was für ein Ergebnis werden Sie aus dieser Petition ableiten?

Das ist ein starkes Signal für den Erhalt dieser Anlagen und vorbildlich gelebte Demokratie. Die Entscheidung dazu muss aber letztlich die Rostocker Bürgerschaft als unser gewähltes Stadtparlament treffen.

Vielen Dank Herr Dr. Chris Müller-von Wrycz Rekowski für die Beantwortung unserer Fragen!