Antworten von Herrn Dr. Dirk Zierau

Oberbürgermeister-Wahl 2019

Fragen IKR e.V. (Initiative Kleingärtner Rostock)

1. Um in Rostock Bauland zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Nutzung von Brachflächen, Baulücken sowie die Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Welche Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, bevor Sie planen Kleingartenanlagen in potenzielles Bauland umzuwandeln?
Kleingartenanlagen sind Teil unserer grünen Stadt am Meer, neben den vielen öffentlichen Grünflächen und unserer Rostocker Heide. Sie tragen nicht nur zur Erholung und einem Stück Lebensgefühl bei, sondern auch zur Gesundheit. Die bestandsgeschützten „Datschen“ gehören dazu, auch ich bin in der DDR in einem Garten mit „Gartenlaube“ aufgewachsen (so nannten wir unsere „Datsche“ damals). Der Trend junger Leute, wieder Kleingärten zu betreiben, ist zu unterstützen (z.B. durch Schulgartenunterricht).

Das ist meine Sichtweise, und deshalb ist für mich ganz klar: Kleingärten sind weitestmöglich zu erhalten, und, sofern das Bundeskleingartengesetz und andere Rahmenbedingungen es zulassen: sogar zu erweitern. Andererseits wird es Kleingartenanlagen oder Teilflächen geben, die vielleicht nicht mehr benötigt werden. In diesem Fall sollte man offen über eine sinnvolle „Nachnutzung“ gemeinsam sprechen.

Unsere bauliche Entwicklung wird vielleicht nicht mehr in der bisher geplanten Dimension erforderlich werden (Bevölkerungszuwachs bis 2030 „nur noch“ auf bis ca. 225.000 Einwohner geschätzt). Deshalb zuerst: den tatsächlichen Bedarf ermitteln. Reduziert er sich auf maximal 500 Wohnungen pro Jahr, lässt sich dieses Ziel durch viele andere Maßnahmen verwirkliuchen, als übermäßig Kleingartenflächen in Anspruch zu nehmen, etwa: (1) moderate Innenstadtverdichtung, z.B. nicht nur durch Lückenschließung und Aufstockzung sondern durch Verbindung winklig stehender Neubauten, (2) Inanspruchnahme anderer freier Flächen, die es etwa an Stadtrandteilen noch gibt, (3) ganz klar auch: gemeinsam mit den Umlandgemeinden ein Entwicklungskonzept erarbeiten, das auch Wohnbebauung dort zulässt.

2. Eine Ausweisung von Bauland führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Wie zahllose Beispielen gezeigt haben, führt dies zur Schaffung hochpreisiger Wohnungen, die von Kapitalanlegern gekauft werden, oder zur Baulandhortung mit dem Ziel, in einigen Jahren und ohne Investitionen das Bauland mit Gewinn wieder zu verkaufen. Mit welchen wohnungspolitischen Instrumenten wollen Sie in den nächsten fünf Jahren bezahlbaren Wohnraum für uns Rostocker schaffen? Wie viele Wohnungen jährlich zu welchem m²-Preis?

Derzeit ist der Baukostenidex hoch, in den letzten fünf Jahren um 30% gestiegen. Baukosten unter 3.000 €/m² sind deswegen und wegen der gestiegenen baufachlichen Anforderungen nicht realisierbar. Mieten unter 10 €/m² sind daher ohne „Eingriffe“ nicht realisierbar, wenn sich eine Investition zumindest rechnen soll. Maßnahmen, die diesem Trend (der solange es Hochkonjunktur gibt anhält) entgegenwirken können, sind etwa:

(1) Förderprogramme des Bundes (Städtebauförderung) und des Landes (aktuell die Landes-Initiative „Zukunft des Wohnenns“),

(2) Enge Zusammenarbeit mit WIRO und Wohnungsgenossenschaften, deren Zwecke es ja vorrangig sind, für ihre Mitglieder bzw. in Wohnungsbelangen für die Bürger da zu sein, nur nachrangig „renditeorientiert“,

(3) Konzeptausschreibung bei öffentlichen Flächen, um – je nach Lage und Größe der Baufläche – einen gewissen Prozentsatz bezahlbaren Wohnraum mit 7 bis 9 €/m² vorzuschreiben; wenn der Prozentsatz 20% wäre, sind das bei 500 Wohnungen jährlich: 100 davon bezahlbar. (

4) Eine weitere Maßnahme ist der Bürgerschaftsbeschluss aus Märzt 2019, städtische Flächen grundsätzlich nicht mehr zu verkaufen sondern mit Erbbaupacht zu vergeben.

(5) Nicht Neubauten sondern den Bestand betreffend: Milieuschutzsatzungen können bezahlbares Studentenwohnen etwa in der KTV absichern, ebenso die aktuelle Maßnahme der WIRO, älteren Menschen den Umzug von einer großen in eine kleinere Wohnung zu mindestens gleichen Mietkonditionen zu ermöglichen.

(6) Letztlich kann eine bürgerfreundliche Bauverwaltung mit schnellen , digitalen Antragsverfahren das Bauen fördern; und: je mehr Wohnungen auf dem Markt angeboten werden, desto mehr wird der Markt auch die Mietpreise senken. 

Insgesamt sind es also viele Einzelmaßnahmen, die ich als Oberbürgermeister im Blick hätte, um für uns bezahlbaren Wohnraum zu sichern.

3. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 der Bundesrepublik Deutschland wird gefordert, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche. Grund und Boden sind kein vermehrbares, sondern ein knappes Gut. Wir lassen unseren nachfolgenden Generationen kaum Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir heute Rostocks Freiflächen in großen Teilen in Bauland umwandeln und an Investoren verkaufen. Wie werden Sie diesem Vorhaben entgegentreten?

Es ist für mich, wie erfreulicherweise zunehmend für viele Menschen, selbstverständlich, sparsam mit unserer Natur, den natürlichen Ressourcen umzugehen. Es gilt, vorhandene versiegelte oder bebaute Flächen besser auszunutzen. Das kann intelligent und modern etwa auch dadurch geschehen, dass man mehr (nichtstörende) Gewerbe und Unternehmungen mit Wohnbebauung „mischt“. Die alte Klassifizierung in allgemeine/reine Wohngebiete, Gewerbe-/Industriegebiete usw. ist nicht mehr zeitgemäß (sie hatte Bedeutung, als mit „Gewerbe“ noch Schreinereien usw. gemeint waren). Wir können das Bauplanungsrecht mit den neuen Instrumenten wie „Sondergebiete“ usw. besser ausnutzen, um modern zu „mischen“ und so etwa vorhandene versiegelte, bebaute Flächen vorrangig zu nutzen. Man kann übrigend den naturschutzrechtlichen „Ausgleich“ ernster nehmen und bei Versiegelung an anderer Stelle auf Entsiegelung als Kompensations-/Ausgleichsmaßnahme hinwirken.

4. Werden Grünflächen in potentielles Bauland umgewandelt, welches irgendwann vielleicht einmal bebaut wird, werden weder Privatpersonen noch die öffentliche Hand auf diesen Flächen investieren. Es widerspricht dem Grundsatz der kommunalrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzipien, wenn z.B. auf einer städtischen Grünfläche, die im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen ist, noch mit öffentlichen Geldern Spielplätze gebaut werden oder Wege aufwendig erneuert werden. … Kleingärtner, deren Kleingartenanlage als Bauland im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, werden keinen Nach-Pächter finden und nicht in ihren Verein bzw. ihre Parzelle investieren. Rostocker Vereine, die zum Teil über 100 Jahre alt sind, werden sich auflösen, als hätte es sie nie gegeben. Sind für Sie hier Alternativen vorstellbar, z.B. ein ständiges Monitoring des tatsächlichen Bedarfes an Bauland mit einer anschließenden Ausweisung von Bauland nur nach tatsächlichem Bedarf?

Sie haben Recht: Bebauungspläne sind sog. „Angebotsplanungen“, die den Weg frei machen für Bebauungen. Diese „Angebote“ sind nur dann zu machen, wenn der Bedarf tatsächlich besteht. Etwas großzügiger muss man aber wohl – da möchte ich ehrlich sein – bei dem übergeordneten Flächennutzungsplan sein (der noch kein Baurecht schafft!!). Dieser sollte schon einmal Spielräume für viel weitsichtigere Perspektiven beinhalten, da man ihn nicht einfach schnell einmal wieder ändern kann, wenn plötzlich doch irgendwo Baubedarf entsteht (und es besteht für B-Pläne ein „Entwicklungsgebot“ aus dem F-Plan heraus). Aber auch hier ganz klar: Als Oberbürgermeister habe ich einen ganz besonderen Blick auf unsere Naturräume, und das Überplanen geht nur gemeinsam mit allen Akteuren, und dies in gemeinsamen Dialogen, und diese auch – und das ist mir wichtig -: auf Augenhöhe.

5. Zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplanes gibt es ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs von uns Bürgern angenommen werden kann, ist ein offenes Ergebnis Voraussetzung. Wurden die Kleingartenanlagen Jägerbeck, Immendick,… bereits als Gewerbefläche an Interessenten angeboten und ist hier eine Dialog überhaupt möglich gewesen? Besteht nach Ihrer Meinung die Möglichkeit diese Flächen im zukünftigen Flächennutzungsplan weiterhin als Kleingartenfläche auszuweisen oder steht hier schon (lange) ein anderes Ergebnis fest?

Die aktuelle geplante F-Plan-Änderung (Zukunftsplan Rostock) habe ich als Leiter der Abteilung Personal und Recht nicht aktiv mitgestaltet. Mein Blick von außen ist der, dass hier – anders als mein Anspruch (siehe Frage 4) – zwar beteiligt wurde, auch Dialoge stattfanden, aber: nicht auf Augenhöhe. Es hat den Anschein für mich, dass viele beabsichtigte Festsetzungen bereits (ziemlich) fest standen, als in den Dialog getreten worden ist. Ich denke, dass es noch möglich ist, im aktuellen Verfahrensstadium den Dialog noch einmal zu öffnen und grundsätzlich neu zu denken. Dafür würde ich mich als Oberbürgermeister einsetzen.

6. Wir haben eine Petition zum Erhalt der Kleingartenanlagen in Reutershagen mit über 5.000 Unterschriften eingereicht. Was für ein Ergebnis werden Sie aus dieser Petition ableiten?

Diese Petition ist ein Zeichen, dass etwas GEGEN den Bürgerwillen in der Verwaltung geschehen könnte. Gemeinsam mit der neu gewählten Bürgerschaft würde ich als Oberbürgermeister auch hier noch einmal neu, ergebnisoffen und auf Augenhöhe in den Dialog mit den betroffenen Rostockern treten.

Ich bedanke mich für Ihre Fragen und hoffe, ich konnte Ihnen meine starke Sympathie für die Natur und die Kleingärten nahe bringen. Gern stehe ich für ein Gespräch zur Verfügung.

Vielen Dank Herr Dr. Dirk Zierau für die Beantwortung unserer Fragen!