Antworten von Herrn Dr. rer. nat. Tom Reimer
Oberbürgermeister-Wahl 2019
Fragen IKR e.V. (Initiative Kleingärtner Rostock)
1. Um in Rostock Bauland zu gewinnen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. die Nutzung von Brachflächen, Baulücken sowie die Nach- und Umnutzung leerstehender Bausubstanz. Welche Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, bevor Sie planen Kleingartenanlagen in potenzielles Bauland umzuwandeln?
Kleingärten sind für mich sozial und ökologisch wertvolle Räume und damit schützenswert. Sie kommen für mich für die Umwandlung in Bauland nicht in Frage. Wenn wir als Stadt wirklich aus allen Nähten platzen würden, was jedoch nicht der Fall ist, und wenn sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft wären, was ebenfalls nicht der Fall ist, dann stünden eventuell auch einige Kleingartenanlagen zur Disposition. Die Prognose des Bevölkerungszuwachses in Rostock wurde bereits nach unten korrigiert. Das Rathaus hält trotzdem an seinen Bauplänen fest. Es geht hier vor allem um finanzielle Interessen des Rathauses und der Bauwirtschaft. Die Interessen und Bedürfnisse der Rostocker Bürger sollten jedoch im Vordergrund stehen.
2. Eine Ausweisung von Bauland führt nicht zu bezahlbarem Wohnraum. Wie zahllose Beispielen gezeigt haben, führt dies zur Schaffung hochpreisiger Wohnungen, die von Kapitalanlegern gekauft werden, oder zur Baulandhortung mit dem Ziel, in einigen Jahren und ohne Investitionen das Bauland mit Gewinn wieder zu verkaufen. Mit welchen wohnungspolitischen Instrumenten wollen Sie in den nächsten fünf Jahren bezahlbaren Wohnraum für uns Rostocker schaffen? Wie viele Wohnungen jährlich zu welchem m²-Preis?
Mit mir wird es Ausschreibungen geben, die an soziale und ökologische Bedingungen gebunden sind. Wer diese Auflagen am besten erfüllt, darf bauen. Wir brauchen in unserer Stadt günstige Mehrraumwohnungen. Sie eignen sich für Familien, Studenten und Senioren gleichermaßen. Die Anzahl der Wohnungen richtet sich idealerweise nach dem tatsächlichen Bedarf. Dieser schwankt jedoch von Jahr zu Jahr. Da Sie mich nach konkreten Zahlen fragen, gebe ich Ihnen als Richtwert 800 Wohnungen jährlich für 7-8 €/m² für die kommenden 5 Jahre. Es geht mir jedoch nicht nur um das „wieviel“ sondern eher um das „wo“ und „wie“. Um der Gentrifizierung entgegenzuwirken brauchen wir Wohnungen in verschiedenen Preissegmenten, jedoch in erster Linie günstige Mehrraumwohnungen. Wir müssen außerdem besser mit den Bau- und Wohnungsgenossenschaften zusammenarbeiten und die WIRO verpflichten, günstigen Wohnraum zu schaffen und zu erhalten.
3. In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016 der Bundesrepublik Deutschland wird gefordert, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche. Grund und Boden sind kein vermehrbares, sondern ein knappes Gut. Wir lassen unseren nachfolgenden Generationen kaum Steuerungsmöglichkeiten, wenn wir heute Rostocks Freiflächen in großen Teilen in Bauland umwandeln und an Investoren verkaufen. Wie werden Sie diesem Vorhaben entgegentreten?
Flächen, die Eigentum der Stadt sind, dürfen nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen an Privatinvestoren verkauft werden. Die Nutzung dieser Flächen muss im Sinne der Einwohner erfolgen. Die Instrumente der Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme müssen von der Stadtplanung beachtet und in der Planung berücksichtigt werden. Beispielsweise können Bestandsgebäude besser genutzt und die Effizienz der Flächennutzung kann gesteigert werden.
4. Werden Grünflächen in potentielles Bauland umgewandelt, welches irgendwann vielleicht einmal bebaut wird, werden weder Privatpersonen noch die öffentliche Hand auf diesen Flächen investieren. Es widerspricht dem Grundsatz der kommunalrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsprinzipien, wenn z.B. auf einer städtischen Grünfläche, die im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen ist, noch mit öffentlichen Geldern Spielplätze gebaut werden oder Wege aufwendig erneuert werden. … Kleingärtner, deren Kleingartenanlage als Bauland im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist, werden keinen Nach-Pächter finden und nicht in ihren Verein bzw. ihre Parzelle investieren. Rostocker Vereine, die zum Teil über 100 Jahre alt sind, werden sich auflösen, als hätte es sie nie gegeben. Sind für Sie hier Alternativen vorstellbar, z.B. ein ständiges Monitoring des tatsächlichen Bedarfes an Bauland mit einer anschließenden Ausweisung von Bauland nur nach tatsächlichem Bedarf?
Es muss Klarheit über die Zukunft der Flächen herrschen. Wenn eine Kleingartenanlage in allen Varianten des Flächennutzungsplans als zukünftiges Bauland deklariert ist und es fließen trotzdem öffentliche Gelder in diese Anlage, ist das unverständlich und es macht die Stadtpolitik unglaubwürdig. Flächennutzungspläne müssen mit den Einwohnern, mit den Betroffenen zusammen erarbeitet und Veränderungen sofort kommuniziert werden. Die Bedarfe der Kleingärtner müssen berücksichtigt und sie müssen in den
Entscheidungsprozess einbezogen werden.
5. Zur Aufstellung des neuen Flächennutzungsplanes gibt es ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Damit die Ernsthaftigkeit dieses Dialogs von uns Bürgern angenommen werden kann, ist ein offenes Ergebnis Voraussetzung. Wurden die Kleingartenanlagen Jägerbeck, Immendick,… bereits als Gewerbefläche an Interessenten angeboten und ist hier eine Dialog überhaupt möglich gewesen? Besteht nach Ihrer Meinung die Möglichkeit diese Flächen im zukünftigen Flächennutzungsplan weiterhin als Kleingartenfläche auszuweisen oder steht hier schon (lange) ein anderes Ergebnis fest?
Da ich nicht im Rathaus sitze, sondern als Biologe und Autor tätig bin, entzieht es sich meiner Kenntnis, ob die Flächen bereits Investoren angeboten wurden. Die Bürgerbeteiligungsverfahren in der jetzigen Form machen auf mich den Eindruck von Alibi-Veranstaltungen ohne die Möglichkeit echter Mitbestimmung. Das wird es mit mir nicht mehr geben. Das Gewicht der Wünsche und Bedürfnisse unserer Bürger ist höher zu bewerten, als das Gewicht der Interessen von Privatinvestoren. Ich stelle humanistische und ethische Werte über finanzielle und wirtschaftliche Kriterien.
6. Wir haben eine Petition zum Erhalt der Kleingartenanlagen in Reutershagen mit über 5.000 Unterschriften eingereicht. Was für ein Ergebnis werden Sie aus dieser Petition ableiten?
6. 5000 Unterschriften haben eine klare Aussage. Das kann und darf kein Oberbürgermeister und kein Mitglied unserer Bürgerschaft ignorieren!
Herzliche Grüße
Tom Reimer